Personen mit einer geringen Bakterienvielfalt im Darm sind häufiger fettleibig und tragen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung Adipositas-assoziierter Begleiterkrankungen, so eine Studie aus Frankreich. Eine weitere Untersuchung zeigte, dass eine geringe Bakteriendiversität im Stuhl mit Darmkrebs einhergeht. – Die bakterielle Besiedelung unseres Darms sollte also so vielfältig wie möglich sein!
Beim Wort „Bakterien“ denken viele als erstes an Krankheitserreger und daran, wie sie sich davor am besten schützen können. Dass bestimmte Bakterien aber selbst den besten Schutz bieten und äußerst wichtige Funktionen im Körper erfüllen, dringt bei vielen Menschen erst langsam ins Bewusstsein. Gut, die Darmflora spielt eine wesentliche Rolle für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden, aber was genau ist ihre Aufgabe?
Wir alle tragen zwischen 10 und 100 Billionen Bakterien in uns.
Intaktes Immunsystem und funktionierende Verdauung
Man darf bei der bakteriellen Besiedelung unseres Darms ruhig von einem Ökosystem sprechen, denn es gibt viele Hundert Spezies von Bakterien. Gesunde Erwachsene mittleren Alters tragen 10 bis 100 Billionen – hauptsächlich anaerobe – Bakterien in sich. Sie stellen zum einen eine Schutzbarriere nach außen dar und halten Schadstoffe und Keime fern.
Zum anderen ist die Darmflora nicht nur ausschlaggebend für ein intaktes Immunsystem, sondern hilft dem Körper auch bei der Verdauung und der Umwandlung der Nahrungsbestandteile in aktive Formen.
Wie man sich vorstellen kann, hindert eine Schädigung beispielsweise durch die Einnahme von Breitbandantibiotika, unsere Darmflora daran, diese wichtigen Aufgaben zu übernehmen. Diese erledigen nämlich nicht nur gefährliche Krankheitserreger, sondern auch unsere „guten“ Darmbakterien. Wenn auch eine Einnahme von Antibiotika in vielen Fällen unvermeidbar oder sogar lebensrettend sein kann, lässt sich unsere Darmflora begleitend mit der Einnahme von Probiotika gut schützen.
Die Vielfalt zählt.
Dabei kommt es darauf an, dass die vorhandenen Bakterienarten möglichst vielfältig sind. Sie kommunizieren mit dem gesamten Organismus, indem sie Signale über das Blut-, Nerven- und Immunsystem austauschen und so Einfluss auf den gesamten Körper ausüben.
Der Wirt, also der Mensch selbst, kann sogar in seinem Verhalten beeinflusst werden, indem er zum Beispiel aufgrund einer Fehlbesiedelung -einer sogenannten Dysbiose- des Darms mit Candida (Hefepilzen) großes Verlangen nach Süßem hat.
Energiereiche Mahlzeiten, Umweltfaktoren und steigende Lebenserwartung erhöhen das Auftreten von Stoffwechselerkrankungen.
Die Zahl der Stoffwechselerkrankungen steigt weltweit
Nicht von ungefähr untersuchte die französische Wissenschafterin Emmanuelle Le Chatelier vom Nationalen Agronomischen Forschungsinstitut mit Forscherteams aus mehreren Ländern den Zusammenhang zwischen vorhandenem Darmmikrobiom und Fettleibigkeit, einer der globalen Epidemien unserer Zeit.
Zahlreiche Forscher warnen bereits vor einer metabolen Gesundheitskrise aufgrund des modernen ungesunden Lebensstils: Schnell verfügbare energiereiche Mahlzeiten im Übermaß, ungesunde Umweltfaktoren, aber auch die erhöhte Lebenserwartung tragen dazu bei, dass Stoffwechselkrankheiten weltweit zunehmen.
Zwillings- und Familienstudien haben zwar herausgefunden, dass es eine gewisse erbliche Komponente gibt, da manche Menschen empfänglicher für eine Adipositas-fördernde Umwelt sind als andere. Eine noch größere Rolle scheint aber das Mikrobiom zu spielen – das Genom von Mikroorganismen, die unseren Körper besiedeln –, wie auch die Untersuchungen von Le Chatelier bestätigen.
Geringe Bakterienvielfalt: Fettleibigkeit und erhöhtes Risiko für Begleiterkrankungen wie Diabetes.
Die Forscher haben die mikrobielle Zusammensetzung des Darms von 123 normalgewichtigen und 169 adipösen Dänen untersucht. Die Teilnehmer unterschieden sich in der Anzahl der Darmmikroben-Gene und daher in der bakteriellen Vielfalt ihrer Darmflora.
Man fand heraus, dass Personen mit einer geringeren Bakterienvielfalt (das waren 23 % der Population) deutlich adipöser waren und auch stärker zunahmen als jene Personen mit einer vielfältig besiedelten Darmflora. Anhand der Variation im Darmmikrobiom konnten auch Personen herausgefiltert werden, die ein erhöhtes Risiko für das Fortschreiten von Adipositas-assoziierten Begleiterkrankungen hatten.
Die Teilnehmer mit weniger Bakterienspezies waren öfter insulinresistent, hatten Dyslipidämien (Fettstoffwechselstörung) und neigten häufiger zu entzündlichen Erkrankungen im Vergleich zu Personen mit einer hohen Bakterienvielfalt.
Es stellte sich heraus, dass nur wenige Bakterienarten ausreichend sind, um zwischen Probanden mit hoher und niedriger Bakterienvielfalt und zwischen dünnen und adipösen Teilnehmern zu unterscheiden.
Weniger Bakterienvielfalt und potentiell schädliche Mikroben bei Darmkrebspatienten.
Einen ähnlichen Zusammenhang zwischen der Mikrobiom-Vielfalt und dem Auftreten von Darmkrebs entdeckten Wissenschafter der New York University School of Medicine. Sie untersuchten, ob eine veränderte Darmmikroben-Gemeinschaft mit dem Risiko von Kolorektalkrebs assoziiert ist.
Die Forscher entdeckten, dass Kolorektalkrebs mit einer gesunkenen Bakteriendiversität im Stuhl einhergeht und dass Tumorpatienten mehr potentiell schädliche Mikroben in ihren Stuhlproben aufwiesen als gesunde Probanden. Da Darmbakterien potentiell modifizierbar sind, hoffen die Forscher, dass Erkenntnisse dieser oder ähnlicher Studien eines Tages zur Prävention von Darmkrebs beitragen könnten.
Frühe Prägung entscheidend
Geprägt wird die individuelle Zusammensetzung der Darmflora erstmals durch den Kontakt mit der Mutter – bereits bei und nach der Geburt nimmt die bakterielle Besiedelung der Mutter Einfluss auf das Kind. Man weiß heute, dass es für ein gesundes Mikrobiom von Kindern außerdem sehr förderlich ist, wenn sie schon früh Zeit am Bauernhof mit Ställen und gemischter Tierhaltung verbringen. Bei diesen Kindern treten seltener Allergien und Asthmaerkrankungen auf.