Alkohol und Schlafmangel – zwei Themen, die eng miteinander verknüpft sind. Allerdings im Wechselspiel, denn einerseits gilt Alkohol noch immer fälschlich als „Schlafvermittler“, andererseits ist er selbst ein „Schlafräuber“, insbesondere weil er die Schlafqualität deutlich mindert. Gerade in der Weihnachtszeit mit seinen alkoholischen Versuchungen sollten wir also vorsichtig sein.
Unter Schlafstörungen versteht man das verzögerte Eintreten oder nächtliche Unterbrechungen des Schlafs – analog dazu auch Ein- oder Durchschlafstörungen.
Etwa 30 % der Bevölkerung leidet an verschiedenen Schlafstörungen.
Die häufigste Form ist die vorübergehende Insomnie, die nach zwei bis drei Tagen wieder abklingt. Störungen mit einer Dauer von zwei bis drei Wochen werden als kurzfristige, alles darüber hinaus als langfristige Schlafstörungen definiert. Etwa 30 % der Bevölkerung leiden daran. Die Hauptursache ist Stress, aber auch eine Vielzahl von Erkrankungen kann zu Schlafstörungen führen. Nicht zuletzt schmälert Alkohol die Schlafqualität.
Was sind Schlafstörungen?
Der Organismus unterliegt einem – möglichst regelmäßigen – Schlaf-Wach-Rhythmus, der eng an den hormonellen Biorhythmus gekoppelt ist. Kommt es zu einer Störung dieser Rhythmik, treten Schlafstörungen auf. Die einfachsten Folgen des Schlafmangels sind Tagesmüdigkeit und Konzentrationsstörungen mit verminderter Produktivität und Leistungsfähigkeit.
Extreme Formen – wie zum Beispiel die Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus – können schwerste psychische Folgen haben: von der Depression bis zur Wahnentwicklung. Diese Entwicklung findet man heute gehäuft bei Jugendlichen, die auch nachts ihren Computer oder andere Displays nicht verlassen und so ihren Tag-Nacht-Rhythmus empfindlich stören.
Der Weg zum Arzt ist häufig wenig befriedigend, denn es sind vor allem Benzodiazepine und Antidepressiva, die bei Schlafstörungen pharmakologisch zur Anwendung kommen. Diese Ansätze sind teilweise durchaus bedenklich. Besonders die Substanz Trazodon sticht hier unrühmlich hervor. Als Antidepressivum mäßig effizient, wurde sie in den letzten Jahren bewusst zum Schlafmittel „umfunktioniert“.
Schlafhelfer Alkohol?
In unserem Kulturkreis hält sich hartnäckig die Vorstellung, Alkohol würde ein probates Schlafmittel darstellen. Das „Bier vor dem Schlafengehen“ oder das „Achterl Rotwein“ sind beliebte „Tipps“. Tatsächlich scheint es zu stimmen, dass Alkohol zunächst tatsächlich entspannt. Er kann als Substanz etwas, das die Pharmaindustrie bis dato noch nicht „zusammengebracht“ hat – er stellt hinsichtlich seiner Wirkqualitäten eine Kombination aus Antidepressivum und Tranquilizer dar.
Tranquilizer – vor allem Benzodiazepine – sind „Entspannungsmedikamente“ mit hohem Suchtpotential, die nicht länger als 3 Wochen eingenommen werden sollten. Also scheinbar eine ganz tolle Sache, die Alkohol da kann…
Alkohol beeinträchtigt den Erholungseffekt von Schlaf.
Die Schlafqualität leidet
Leider definitiv nein, wie etwa eine australische Studie belegen konnte. Ein Forscherteam der Universität Melbourne untersuchte 24 gesunde 18- bis 21-Jährige, davon jeweils 50 % weibliche und männliche Personen. Sie erhielten vor dem Einschlafen Alkohol bzw. Placebo in Form von Orangensaft mit und ohne Wodka. Mittels Polysomnographie (Aufzeichnung der Schlafphasen, Schlaftiefe etc.) und EEG wurde die Schlafqualität der Studienteilnehmer gemessen.
Mit interessanten Ergebnissen:
Alkohol erhöhte die niederfrequenten Deltawellen, die Zeichen für einen tiefen Schlaf sind, gleichzeitig verstärkten sich auch die Alphawellen, die vor allem tagsüber dominieren und für einen Wachzustand verantwortlich sind. Dies wurde als Zeichen eines gestörten Schlafes interpretiert. Das heißt, Alkohol funktioniert zwar zunächst als eine Art Einschlafhilfe, aber letztendlich wird der Schlaf gestört und der Erholungseffekt gemindert. Entsprechend sind die daraus resultierenden Beeinträchtigungen am nächsten Tag.
Weitere Effekte auf den Schlaf gelten als wissenschaftlich belegt:
- Rebound Effekt – mit dem Abflauen der Wirkung wird der Körper „wacher“ und der Schlaf immer unruhiger werden.
- Schlafmittel und Alkohol – geht gar nicht, in zu hoher Dosis sogar lebensgefährlich. Die Kombination von verschreibungspflichtigen Medikamenten mit Alkohol erzeugt Schäden am Nervensystem, die Reaktionsfähigkeit und Koordination werden negativ beeinflusst.
- Schweißausbrüche – Alkohol führt unter anderem auch zur Vasodilatation, die Blutgefäße erweitern sich. Die Haut wird etwa dadurch wärmer. Mittels gesteigerter Schweißproduktion versucht der Organismus die Haut zu kühlen. Der Nebeneffekt Abkühlung ist außerdem, dass der Schlaf dadurch gestört wird.
- Schnarchen und Schlafapnoe (Atemstillstand) – Alkohol entspannt die Muskulatur. Das führt zu lautem Schnarchen. Es kann sich aber auch die Luftröhre so weit verengen, dass der Körper mangelhaft mit Sauerstoff versorgt wird. Das Schlafapnoe-Syndrom ist eine Krankheit, bei der die Luftröhre in der Nacht aufgrund fehlender Muskelspannung zusammenfällt. Die Betroffenen bekommen keine Luft mehr und sie wachen auf. Alkohol kann diese Krankheit verstärken.
- Gesteigerte Urinproduktion – jedes Gramm Alkohol erhöht deine Urinmenge um 10 ml, da Alkohol die Ausschüttung von antidiuretischen (die Harnproduktion hemmenden) Hormonen blockiert. Dadurch steigt die Urinmenge. In Kombination mit der betäubenden Wirkung des Alkohols und der Muskelentspannung kann dies bei hohem Alkoholkonsum zu unkontrolliertem Harnabgang / Bettnässen führen.
- Frauen verstärkt betroffen – bereits 2011 beschäftigte sich eine Studie mit geschlechtsspezifischen Unterschieden der Reaktion auf Alkohol. Alkohol hatte auf den Schlaf der weiblichen Probanden schlimmere Auswirkungen als auf den der männlichen Teilnehmer – Frauen können nach Alkoholkonsum weniger lang schlafen, wachen öfter auf und dadurch leidet die Schlafqualität. Möglicherweise deshalb, weil Frauen Alkohol schneller abbauen können, als Männer. Somit verschwinden die beruhigenden Effekte des Alkohols rascher und der Schlaf der Frauen wird früher unruhig.
- Traumlosigkeit – Träume spielen eine wesentliche Rolle bei der Verarbeitung von Erlebnissen bzw. Emotionen. Damit sind sie eine Grundvoraussetzung für eine intakte Psyche. Beim Schlaf unterscheidet man zwischen REM (Rapid Eye Movement) und Non-REM-Phasen. Erstere sind die Traumphasen. In Abhängigkeit von der Alkoholmenge verkürzt sich die Dauer der REM-Phasen.
REM und Non-REM
Unser Schlaf ist nicht während der gesamten Zeit gleich tief – er verläuft in Phasen, die sich während der Nacht mehrmals wiederholen. Der Schlaf wird in fünf Phasen unterteilt, die sich durch unterschiedlich stark ausgeprägte Hirnströme unterscheiden lassen: die NON-REM Phasen mit den Stadien 1 bis 4 und die sogenannten REM-Phasen (englisch: Rapid Eye Movement), die durch schnelle Bewegung der Augen unter den Lidern gekennzeichnet sind.
Etwa alle eineinhalb Stunden verfallen Schlafende in einen eigenartigen Zustand: Das Herz schlägt schneller, Atemfrequenz und Blutdruck steigen, die Augen „wandern“ bei geschlossenen Lidern hin und her – die REM Phase hat begonnen. Die Entdeckung des REM-Schlafes durch den Schlafforscher Nathaniel Kleitmann liegt nur etwa 50 Jahre zurück.
Während des Tiefschlafs weitgehend der Aufgabe einer körperlichen Regeneration zugeschrieben, glauben die Schlafforscher, dass der REM-Schlaf für die psychische Erholung notwendig ist. Über die Rolle der schnellen Augenbewegungen ist man sich bis heute in der Schlafforschung noch nicht ganz einig.
Etwa 20 % unseres Schlafes verbringen wir in REM-Phasen.
Die REM-Phase
Während des REM-Schlafs haben wir die meisten und die intensivsten Träume – deshalb wird dieses Schlafstadium auch als Traumphase bezeichnet. Die Augenbewegungen sind dann besonders stark, Herzschlag, Blutdruck und Atmung werden schneller und unregelmäßiger, Anzeichen von sexueller Erregung sind ebenfalls festzustellen.
In der REM-Phase zeigt das Elektroenzephalogramm eine verstärkte Aktivität an, gleichzeitig ist jedoch der Muskeltonus stark herabgesetzt. Dieser Vorgang wird von unserem Gehirn aktiv gesteuert. Ohne den herabgesetzten Muskeltonus würde der Schläfer alle geträumten Bewegungen auch tatsächlich ausführen, was natürlich fatal wäre. Wer aus dem REM-Schlaf geweckt wird, kann sich besonders gut an seine Träume erinnern. Während einer Schlafzeit von 8 Stunden werden 3 bis 6 REM-Phasen gefunden, das sind ungefähr 20 % der gesamten Schlafzeit.
Schlafqualität selbst messen?
Mittels sogenannter Fitness-Tracker oder bestimmter Smart-Watches kann man mit geeigneten Algorithmen versuchen, die Schlafqualität zumindest grob zu beurteilen. Mehr ist leider noch nicht möglich, daher können diese elektronischen Geräte den Besuch eines medizinischen Schlaflabors bei hartnäckigen Schlafproblemen nicht ersetzen. Zudem kommt es bei diesen Geräten immer wieder zu teilweise erheblichen Messfehlern, wodurch der grundsätzlich positive Ansatz leidet.
Schlaflosigkeit – die Folgen?
Dieses umfassende Thema kann hier nur kurz gestreift werden. „Moderner Lebensstil“ nennt sich die häufige Verhaltensstörung, bei der Menschen sich derart unter Erlebnisdruck setzen, dass sie schlussendlich Probleme mit der Stille haben. Dazu gehören mediale Dauerüberflutung, Dauererreichbarkeit, Dauerkommunikationsbereitschaft etc., kurz gesagt Elemente unseres modernen „digitalen“ Lebensstils.
Übersehen wird in Städten noch immer die so genannte Lichtverschmutzung – denn Licht führt zur Unterdrückung des Biorhythmus-Hormons Melatonin, das unseren Schlafrhythmus mitsteuert. Allerdings hat der therapeutische Einsatz von Melatonin zu keinen befriedigenden Ergebnissen geführt. Dieses Phänomen steckt auch hinter den Problemen, die bei Nacht- und Schichtarbeit entstehen.
Nicht zuletzt sei erwähnt, dass auch alle, die im Schichtbetrieb arbeiten müssen, verstärkt – insbesondere ab dem mittleren Alter – von Schlafproblemen betroffen sind.
Zudem gibt es durchaus seltsame Auffassungen von ausreichendem Schlaf. Das betrifft nicht zuletzt besonders Kinder und Jugendliche: Eine ausufernde Nutzung elektronischer Medien stört bereits früh deren natürlichen Biorhythmus.
Weitere Ursachen können sein:
- Bewegungsmangel
- Schlafapnoe bei Übergewicht
- Periodische Beinbewegungen durch unwillkürliche Muskelzuckungen
- Syndrom der ruhelosen Beine (RLS, Restless-Legs-Syndrom)
- Magnesiummangel mit nächtlichen Beinkrämpfen
- Sodbrennen bei gastroösophagalem Reflux
- Schilddrüsenüberfunktion
- Herzleistungsschwäche mit Atemnot und nächtlichem Harndrang
Die konsequente langjährige Störung der Schlafqualität hat massive bis katastrophale Folgen. Am Beginn stehen Konzentrationsstörungen, allgemeiner Leistungsverlust, Lustlosigkeit und Tagesmüdigkeit. Als Zwischenstufe warten Angst und (Erschöpfungs-) Depression, die letztlich in wahnhafte Zustände übergehen können.
Im Hintergrund dieser Entwicklung stehen die vielfältigen – um nicht zu sagen, unabsehbaren – Folgen eines gestörten Biorhythmus. Was man früher nur vermutete, ist zunehmend Gegenstand intensiverer Forschung. Störungen des Biorhythmus stören praktisch alle Körpersysteme bis hin zum Abwehrsystem.
Schlafmangel macht hungrig und erhöht das Risiko für Übergewicht und Diabetes.
Weniger bekannte Auswirkungen von Schlafmangel
Es genügt bereits eine Woche Schlafmangel, um die innere Uhr gehörig durcheinander zu wirbeln. 6 Stunden gelten als kritische Schwelle, damit man von Schlafmangel sprechen kann, wobei der Schlafbedarf von Mensch zu Mensch variieren sowie im Alter abnehmen kann.
Insbesondere Studien bei Kindern haben gezeigt, dass Schlafmangel und Übergewicht miteinander Hand in Hand gehen. Vereinfacht gesagt: Schlafmangel macht gefräßig! Die Universität von Berkeley in Kalifornien bat 23 normalgewichtige Menschen ins Schlaflabor. Zunächst durften sie 8 Stunden schlafen, in der zweiten Nacht aber gar nicht mehr. Während der Nacht standen Äpfel und Erdnussbutter-Cracker als Nahrung zur Verfügung. In einem Bildtest zeigten die Teilnehmer anschließend in Abhängigkeit von ihrer Müdigkeit eine ausgesprochene Vorliebe für hochkalorische Speisen wie Desserts, Schokolade und Kartoffelchips.
In einer anderen Studie der Universität von Chicago wiesen Probanden nach nur kurzer Nachtruhe eine um etwa 20 % verringerte Konzentration des Fettzellhormons Leptin im Blut auf; derweil stieg der Anteil des Magenhormons Ghrelin um fast ein Drittel. Während Leptin das Hungergefühl hemmt, wird der Appetit durch Ghrelin gesteigert. Auch Endocannabinoide steigen im Blut nach kurzer Nacht an – sie vermitteln Hungergefühl. Epidemiologische Studien zeigen: Schlafmangel begünstigt die Entstehung von Adipositas sowie in der Folge Typ 2-Diabetes. Allerdings versteht man die Hintergründe leider noch nicht.
Oxidativer Stress durch Schlafmangel
Weiters verstärkend in diesem Zusammenhang ist, dass mit dem Schlafmangel der oxidative Stress steigt, der als Wegbereiter aller Arten von Entzündungen gilt. Hier reichen die potentiellen Konsequenzen von Diabetes über Atherosklerose bis zu psychischen Störungen, bei denen ebenfalls subklinische Entzündungen festgestellt werden können.
Die Vermutungen hinsichtlich des Abwehrsystems gehen sogar so weit, eine verminderte Wirkung von Impfstoffen durch Schlafmangel anzunehmen.
Verschiedene Studien der letzten 7 Jahre behaupten zudem eine Beziehung zwischen Schlafmangel und der Brustkrebshäufigkeit zu erkennen. Der Hintergrund soll darin bestehen, dass Krebszellen in der Wachphase rascher wachsen.
Biologische Hilfe CBD?
Der Hauptwirkstoff des Naturhanfs – Cannabidiol (CBD) – stellt eine grundsätzliche Chance dar, schlafinduzierend zu wirken. Es werden ihm entspannende und dosisabhängig sogar antidepressive Eigenschaften zugeordnet. Wirklich gute Studien fehlen allerdings noch.
Ein Übersichtsartikel in der Fachzeitschrift „Current Psychiatry Reports“ bestätigte grundsätzlich die positiven Forschungsergebnisse bei der Behandlung von Schlafstörungen. Bestätigen lässt sich das vorsichtig in der therapeutischen Praxis (www.aiaasr.com) am Institut für tiergestützte Salutogenese & Forschung. Erste Erfahrungen weisen im Einzelfall auf günstige Effekte bei einer Kombination von Schmerz und Schlafproblemen hin. Man sollte wegen der sehr unterschiedlichen Präparationen und Wirkstoffgehalte bewusst mit niedrigen Dosen beginnen und sich der wirksamen Dosis entgegentasten.
Aus gegenwärtiger Sicht gibt es dennoch eine Vielzahl offener Fragen bei dieser Anwendung von CBD, da die zur Verfügung stehenden pharmakologischen Möglichkeiten weder befriedigend noch zur Langzeitanwendung geeignet sind. Eine Situation, die zu einem Therapieversuch mit CBD bei Schlafproblemen sicherlich ermuntert, der aber nicht ohne professionelle Begleitung stattfinden sollte.
Hilfs- und Hausmittel
Die Naturheilkunde kennt eine Reihe von Pflanzen, die Linderung versprechen wie Melisse, Hopfen, Baldrian, Lavendel, Ashwaghanda (indische Schlafbeere) oder Malve und andere, die als Teemischungen verfügbar sind.
Wesentlicher als die Gabe von Substanzen ist in diesem Zusammenhang allerdings eine ausreichend gute Schlafhygiene, die nachfolgende Tipps zu verbessern helfen:
– nicht zu spät zu Bett gehen
– regelmäßige Bewegung
-vor dem Schlafen (blaues) Licht minimieren
– vor dem Zubettgehen aufwühlende Situationen (z.B. Filme) meiden
– konstante Tagesrhythmik einhalten
– Stressquellen ausschalten
– gut belüftetes Schlafzimmer mit niedriger Raumtemperatur
– abends leicht essen und nur wenig Alkohol trinken
– keine koffeinhaltigen Getränke oder Nikotin
– bei Kindern ist es günstig, ein gleichbleibendes “Schlafengeh-Ritual” einzuhalten.