Ein gut gereifter Käse, ein exquisites Glas Rotwein und ein Stück zartherbe Schokolade – für viele ein wahres Gustostückerl, für einige wird der Genuss jedoch zur reinsten Qual. Denn wer nach diesen Köstlichkeiten plötzlich unter einer laufenden Nase, Schwindel, Hautrötungen – insbesondere im Gesicht, Hitzewallungen oder Kopfschmerzen leidet, sollte diese Alarmzeichen in jedem Fall ernst nehmen. Ein Überschuss an biogenen Aminen kann der Auslöser sein – das bekannteste davon ist Histamin.
Histaminintoleranz – Missverhältnis zwischen anfallendem Histamin und dessen Abbau durch die DAO
Die Histaminintoleranz (kurz HIT) beschreibt eine Überlastung des Körpers mit einer Eiweißsubstanz, die nicht abgebaut werden kann. Konkret handelt es sich um eine Abbaustörung von Histamin – verursacht durch den Mangel des Histamin-abbauenden Enzyms Diaminoxidase (kurz DAO). Histamin gelangt über die Darmschleimhaut in die Blutbahn und von dort in die Organe, wo es die Zellen reizt. Interessant dabei: Frauen sind viel häufiger von Unverträglichkeiten, wie etwa einer Histamin-Intoleranz betroffen, als Männer. Mögliche Ursachen – wobei wissenschaftlich noch nicht bewiesen – könnten mit dem weiblichen Hormonhaushalt zusammenhängen. Während der Schwangerschaft wird in der Plazenta mehr DAO gebildet, dadurch treten die typischen HIT-Symptome oftmals nicht so stark in Erscheinung.
Histamin ist ein biogenes Amin, welches der Körper selbst produziert, aber auch in Nahrungsmitteln vorkommt. Die Histamin-Gehälter in Lebensmitteln schwanken stark, da sie abhängig sind vom jeweiligen Protein- bzw. Histidingehalt, von der mikrobiellen Besiedelung, der Lagertemperatur bzw. dem Reife- und Fermentationszeiten sowie den Hygienebedingungen während der Herstellung. Je mehr von der Aminosäure Histidin in einem Lebensmittel enthalten ist, desto mehr Histamin kann entstehen. Lebensmittel, die häufig Histamin-Unverträglichkeiten auslösen sind beispielsweise geräucherter/marinierter Fisch, gepökeltes Fleisch, lang gereifter Käse, alkoholische Getränke wie Rotwein oder Sekt und bakteriell konservierte Lebensmittel z.B. Sauerkraut aber auch Fertiggerichte, spezielle Obstsorten wie Bananen, Orangen und Sojaprodukte. Sogenannte Histamin-Liberatoren können ebenfalls die Histaminproduktion im Körper ankurbeln und die Symptome einer Histamin-Intoleranz verstärken. Es handelt sich um Substanzen, die Histamin im Darm freisetzen bzw. DAO in ihrer Aktivität hemmen – ohne dass dafür eine Reaktion des Immunsystems notwendig ist. Dazu zählen: Tomaten, Hülsenfrüchte, Nüsse, Ananas, Papaya, Kiwi, Kakao, Schokolade sowie Alkohol und Medikamente (z.B. diverse Schmerzmedikamente, Hustenmittel).
Je länger ein Nahrungsmittel gelagert oder gereift ist, desto höher ist sein Gehalt an Histamin und anderen biogenen Aminen.
Tipps bei einer Histaminunverträglichkeit
- Möglichst frische Lebensmittel verwenden
- Histamin wird auch durch Erhitzen nicht zerstört – daher sollten leicht verderbliche Gerichte (Fisch, Spinat) kein zweites Mal aufgewärmt werden, da sich die bakterielle Aktivität bereits nach dem ersten Zubereiten stark entfaltet
- Meiden von Alkohol – dieser verstärkt die Wirkung biogener Amine und erhöht die Durchlässigkeit der Darmwand. Dadurch wird der Eintritt von Histamin in den Blutkreislauf erleichtert. Zudem enthält Alkohol viel Histamin und kurbelt auf diese Weise die körpereigene Histaminbildung an und hemmt zusätzlich die DAO.
Und trotzdem – ohne Histamin würde im Körper einiges nicht funktionieren – spielt es als Neurotransmitter, Botenstoff und Gewebshormon in vielen physiologischen Prozessen (z.B. Schlaf-Wach-Rhythmus, Appetitkontrolle, Abwehr von körperfremden Stoffen) eine bedeutsame Rolle. Unter anderem steuert es allergische Reaktionen, regt die Magensaftbildung an und ist an der Regulation der Körpertemperatur und des Blutdruck sowie der Schmerzempfindung beteiligt – um nur einige der wesentlichen Aufgaben zu nennen. Im Unterschied zu einer echten Allergie, welche eine qualitative, dosisunabhängige Reaktion beschreibt, kennzeichnet eine pseudoallergische Überempfindlichkeitsstörung einer Histaminintoleranz eine mengenabhängige Reaktion, die individuell sehr unterschiedlich ausfallen kann.
Enzyme und Vitamine bei einer Histaminintoleranz
Wie bereits erwähnt, wird im Körper Histamin durch das in der Darmschleimhaut gebildete Enzym DAO (Diaminoxidase) abgebaut. Für diesen enzymatischen Vorgang werden spezielle Mikronährstoffe als Co-Faktoren benötigt, insbesondere Vitamin B6, Vitamin C, Kupfer und Zink. Neben seiner Funktion als Cofaktor trägt Zink zudem zu einer normalen Eiweißsynthese bei. Auch körpereigene Enzyme, wie die Diaminoxidase (DAO) zählen zu den Eiweißen. Fehlen die notwendigen Co-Faktoren der kupferhaltigen Diaminoxidase kann keine optimale Enzymaktivität erreicht werden. Die Gabe der Co-Faktoren kann in einer solchen Situation zu einer deutlichen Aktivitätszunahme führen und ist eine wichtige therapeutische Maßnahme.
Besonderes Augenmerk gilt für eine ganz spezielle Aminosäure: L-Glutamin dient den Zellen der Darmschleimhaut und des Immunsystems als Energiequelle. Zur Aufrechterhaltung der Schleimhautbarriere ist sie daher unerlässlich – insbesondere bei Entzündungen. Ein Mangel kann zu Funktions- bzw. Permeabilitätsstörungen führen. Neben den Mangel an Co-Faktoren können auch Biogene-Amine produzierende Darmbakterien zu einer reduzierten DAO-Aktivität führen. Eine aufgewucherte Fäulnisflora durch Fehlernährung oder Verdrängung der Säuerungsflora kann bedeutende Konzentrationen von Histamin produzieren.
Beim gesunden Menschen wird DAO kontinuierlich ins Darmlumen abgegeben, hingegen bei Menschen mit Histaminintoleranz die Abbaugeschwindigkeit durch die verringerte Aktivität der Diaminoxidase herabgesetzt ist. Ein Überschreiten der individuellen Histamintoleranzschwelle löst bei den Betroffenen konzentrationsabhängige, histaminvermittelte Symptome (z.B. Juckreiz, Migräne, Verdauungsbeschwerden, Herzrasen etc.) aus. Selbst geringe Histamin-Mengen können bei HIT-Betroffenen ausreichen, denn bei ihnen liegt meist ein genetischer DAO-Mangel oder eine zu geringe DAO-Aktivität vor. Achtung: Auch ein normwertiger DAO-Spiegel kann bei übermäßiger Anflutung von Histamin aus der Nahrung nicht ausreichend sein.
Therapeutische Maßnahmen
Das Vorliegen einer Histaminintoleranz korreliert allzu oft mit einem Mangel an DAO. Dieser Mangel lässt sich am Spiegel der DAO im Blutserum feststellen. Zusätzlich empfiehlt sich die Untersuchung von Histamin im Stuhl sowie eine genaue Ernährungsanalyse, Stress-Anamnese und Allergie-Diagnostik. Bei positivem Befund gilt es mithilfe einer Diät, Zufuhr der DAO-Cofaktoren (Vitamin B6, Vitamin C, Kupfer und Zink) und/oder des DAO-Enzyms Abhilfe zu schaffen. Ein Defizit an DAO kann auch als ein Hinweis einer geschädigten Darmschleimhaut interpretiert werden. Bei einer diagnostizierten Histaminintoleranz gilt es die Darmgesundheit näher zu betrachten – möglicherweise könnte ein entzündeter Darm bzw. Leaky-Gut Syndrom ursächlich im Zusammenhang stehen.